Modellierung durch gewöhnliche Differentialgleichungen
Definition
Eine Differentialgleichung beschreibt stets einen Zusammenhang zwischen einer Größe und ihrer Veränderung (Ableitung). Bei gewöhnlichen Differentialgleichungen (gDGl) existieren nur Ableitungen in eine einzige Richtung (meist die Zeit).
In System gDGl'en wird die zeitliche Veränderung mehrerer Zustandgrößen gleichzeitig betrachtet; i. a. ist die Veränderungsrate einer Größe vom aktuellen Wert nicht nur dieser Größe selbst, sondern auch (mehrerer) anderer Zustandsgrößen abhängig.
Hängt die aktuelle Veränderungsrate einer Größe vom vergangenen Werten ihrer selbst oder anderer Größen ab, spricht man vonverzögerten DGl'en. Zu ihrer Lösung existieren keine "Toolboxen", sie sind (kleiner) Gegenstand aktueller mathematischer Forschung.
Algorithmen
Differentialgleichungen müssen mit Methoden der Numerischen Mathematik gelöst werden. Ausgabe eines "gDGl-Lösers" sind Zeitdatenreihen für die beschriebenen Größen. Ohne zusätzliche Daten ist die Aufgabe nicht lösbar; man unterscheidet:
Anfangswertaufgaben, bei denen für alle Zustandsgrößen Startwerte vorgegeben werden. Sie sind (fast) immer lösbar.
Randwertaufgaben, bei denen für einige oder alle Zustandsgrößen Werte in Inneren des simulierten Zeitraums oder an seinem Ende vorgegeben werden. Ihre Lösbarkeit ist nicht ohne weiteres gesichert.
Die Lösungsalgorithmen werden nach zwei Kriterien in vier Kategorien eingeteilt:explizite oderimplizite,Einschritt- oderMehrschrittverfahren.
- Mehrschrittverfahren sind programmiertechnisch aufwendiger, bieten dafür genauere Ergebnisse bei gleichem Rechenaufwand bzw. gleich gute Ergebnisse mit wesentlich reduziertem Rechenaufwand. Werden vorgefertigte Programmierbibliotheken oder wird fertige Software verwendet, so sind sie i. a. vorzuziehen.
Implizite Verfahren sind wesentlich rechenaufwendiger als explizite, für sog. steife Probleme jedoch notwendig. Eine gDGl wird als steif bezeichnet, wenn die einzelnen Zustandgrößer auf sehr unterschiedlichen Zeitskalen schwanken (beispielsweise eine der Zustandgrößen um einen Faktor 10 schneller als die anderen).
Literatur: Deuflhardt, Bornemann: Numerische Mathematik II. De Gruyter.
Beispiele
- sämtliche zeitlichen Evolutionen von Gesamtgrößen, bei denen lokale Verteilung gleichgültig ist:
- Reaktionskinetik in industriellen, gut durchmischten Reaktionstanks
- Populationsdynamik; zur Modellverfeinerung können Populationen in Untergruppen geteilt werden. In jedem Falle jedoch erfolgt eine summarische Modellierung, Einzelindividuen werden nicht modelliert.
- zeitliche Evolutionen nach physikalischen Gesetzen, beispielsweise Mehrkörperdynamik in der Astronomie
Vorteile
- Keine Modellierungs-Einschränkungen außer der Beschränkung auf eine einzige unabhängige Variable (i. a. Zeit), daher große Flexibilität
- Lösungsalgorithmen in allen Mathematik-Softwarepaketen eingebaut.
Nachteile
- keine standardisierte Software-Umgebung
- grunsätzliches Verständnis für das erwartete Verhalten notwendig, da hiervon die Auswahl des Lösungsalgorithmus abhängt.
- rein zeitliche, keine räumliche Verteilung beispielsweise von Populationen modellierbar.
KategorieKnotenUndKanten (bitte diese Kategorie auf alle zum Knoten-und-Kanten-Wiki zugehörigen Seiten setzen)